„Kikkie!!! Kikkie, kommst Du her!!! Kikkie!!!!“
rief es plötzlich sehr laut, bestimmend und mit männlicher Stimme aus dem Durchgangspark, so dass wir uns richtig erschreckt hatten. Dann passierte kurze Zeit gar nichts, bis jemand teilnahmslos murmelte „…lauf doch nicht immer so weit weg….“. Und das war´s dann für diesen sonnigen Tag. Es kehrte wieder Ruhe ein.
Wir wohnen hinter besagtem Durchgangspark. Wobei Christina jetzt sagen würde, das ist kein Durchgangspark. Das Wort hätte ich erfunden. Es ist einfach ein Schotterweg mit kleinen Wiesen und
Bäumen am Rand. Und sie hat Recht, aber ich mag das Wort irgendwie. ;) Jedenfalls verbindet dieser parkähnliche Fußgängerweg zwei Straßen miteinander und ist für die tägliche Gassirunde bei allen
sehr beliebt. Man trifft und grüßt sich und manchmal entstehen sogar längere Gespräche.
Getrennt sind „Park“ und die Wohnanlage, wo wir uns häuslich niedergelassen haben, durch eine hohe Hecke, so dass man, wenn man sich draußen aufhält, zwar hören kann was am Weg geschieht, aber
nichts sieht. Somit wussten wir erst nicht, wer Kikkie überhaupt war, noch wer da recht barsch nach ihr/ihm gerufen hatte. Erst hatten wir auch keine weiteren Gedanken daran verloren. Doch
dieses, nennen wir es, alt-eingesessene Erschreckungsritual, geschah in dieser recht ruhigen Wohngegend in regelmäßigen Abständen.
Ein paar Tage später ging es wieder los. „Kikkie!!! Kikkie!!! Hierher!!!“. Kurze Pause. „Kikkie!!! Hast Du nicht gehört was ich gesagt habe?!?!! Hierher!!!“. Dann wieder Stille. Die Rufe
starteten abrupt und hörten danach genauso schnell wieder auf. Doch irgendwas war an diesem Wochenende anders, denn anscheinend hatte Kikkie beschlossen, dem nicht sofort Folge zu leisten. Mit
noch mehr Nachdruck ging es also in die zweite noch lautere Runde. „Kikkie!!! Nicht so weit weg!!! Sofort zu mir!!!“.
Christina und ich schauten uns an. Was und wer war das? Besonders weil es keine weiteren Reaktionen oder Geräusche dazu gab. Uns wurde schnell klar, dass Antworten seitens Kikkie, wie „Tut mir
leid.“, oder „Jetzt mach´ doch nicht so ein Theater, ich komme ja.“ eher nicht zu diesem Szenario passten. Kikkie könnte aller Wahrscheinlichkeit nach ein Hund sein. Aber es gab kein Bellen, kein
Hecheln, kein Klimpern einer Leine oder irgendwelche Laufgeräusche, welche ein Hund auf Schotterboden machen würde wenn er
gerufen wird. Es war einfach wieder ruhig.
So begab es sich wieder ein paar Tage später, dass ich Kikkie endlich einmal beim Spazierengehen antraf. Sie ist eine kleine ältere Hündin, mit weißem struppigem Fell, dünnen Beinchen und
leichter Fehlstellung des Rückens. Ich tippe mal auf einen Malteser.
Ihr Herrchen, ein älterer und hagerer Herr mit Hut, stand mit ihr an der besagten Wiese im Durchgangspark. Der Herr war kopfüber vertieft in sein Handy und Kikkie wartete tiefenentspannt neben
seinem Fuß, die Augen halb geschlossen.
Da ich gerade unser hundestrand-Mobil mit Versandpaketen befüllte, verging etwas Zeit, in welcher …… sich nichts tat. Regungslos standen Kikkie und ihr Herrchen, ins Handy guckend, an der Wiese. Standbild. Bis Kikkie auf einmal ganz langsam 4 Minischritte Richtung Wiese ging, wieder stehen blieb und an einem kleinen Stock schnupperte. Die Entfernung zum Herrchen betrug jetzt ca. 1,5 Meter.
20 Sekunden später bemerkte der ältere Herr, dass sein Hund nun in 1,5 Metern Entfernung und nicht mehr direkt neben ihm stand. Das Handy sank in Zeitlupe und die vertrauten Rufe durchbrachen die Stille. „Kikkie!!! Kikkie, kommst Du her!!! Kikkie!!!!“.
Ich zuckte leicht zusammen und dachte nur, wow, das ist einschüchternd. Was wird wohl jetzt passieren? Also, ich wäre an Kikkie Stelle sofort zurückgerannt und hätte mich demütig und
entschuldigend auf den Rücken gelegt, auch wenn es sinnbefreit wäre. So intensiv waren die Befehlsrufe.
Doch Kikkie stand weiter regungslos da und starrte auf die Wiese. „Kikkie!!! Hierher!!! Jetzt reicht´s aber!!!“ ging es erneut. Gaaaanz zögerlich drehte sie sich zu ihrem Herrchen um und schaute
in lange und fast schon vorwurfsvoll an. Bis sie sich schleppend wieder an seine direkte Seite begab, womit der ältere Herr sich sofort wieder seinem Handy widmete. Erneutes Standbild.
Leider blieb mir keine Zeit mehr weiter zu beobachten, denn unsere Kundenpakete mussten zu DHL. Wahrscheinlich hätte sich auch die nächsten Minuten nichts mehr getan, denn die Szenerie war ja
wieder wie „eingefroren“.
Christina erzählte mir die darauffolgende Woche, dass sie Kikkie auch wiedergetroffen hatte. Diesmal aber im Rudel mit zwei weiteren kleinen, sehr quirligen Hunden und einer älteren Dame.
Irgendwie kam man ins Gespräch und die Dame erzählte Christina die Geschichte von Kikkie.
Kikkie war aus dem Tierheim und ein ausgesetzter Hund. Was hinzu kommt ist, dass Kikkie einmal einen Unfall gehabt haben muss, daher auch die Fehlstellung ihres Rückens und ihr langer Aufenthalt
im Heim. Niemand wollte sich ihrer annehmen. Doch die Ärzte bescheinigten, dass Kikkie zwar urmelalt sei, aber keine Schmerzen hat. Die Dame jedenfalls, hatte sich sofort in den kleinen Hund
verliebt und ihn aufgenommen.
Nun ist sie im Rudel und dort absolut tiefenentspannt und ruhig. Die Besitzerin und ihr Mann kümmern sich um Kikkie und Kikkie kümmert sich um sie.
Nach all diesen Informationen ergibt sich nun ein klareres, liebevolles und eigentlich friedliches Bild. Zwar scheint der ältere Herr mit seiner lauten Ruferei ein wenig „zu übertreiben“ und richtige Hundeerziehung nicht wirklich verinnerlicht zu haben, aber Kikkie hat es insgesamt gut. Sie besitzt einen ruhigen und starken Charakter, den selbst ein lautes „Kikkie!!! Nicht so weit weg!!! Sofort zu mir!!!“ nicht erschüttern kann. Und sie hat ein Rudel und Personen die sie lieben und sich um sie kümmern.
Somit, auf viele weitere Jahre, kleiner weißer Hund! Bleibe stark und sehe mit einem Augenzwinkern weiter über „die dollen 5 Minuten“ Deines älteren Herrchens hinweg. Bis bald! ? :)
Liebe Grüße
Dein hundestrand-Team
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